Brennholzverleih

BrennholzverleihNutella für die Seele

Was würdest du denken, wenn du an einem Laden ein Schild mit der Aufschrift „Brennholzverleih“ siehst?

Für mich würde das erst mal klingen, als wär das eine Abzocke. Brennholz verleihen?! Das macht doch keinen Sinn, das kann man doch gar nicht zurückbekommen. Aber dann habe ich mal weitergedacht. Vielleicht gibt es Menschen, die Asche sammeln? Man verleiht Holz – und bekommt dann die Asche zurück. Oder vielleicht werden die Brennholzscheite ja als Dekoobjekte verliehen – weil es Menschen gibt, die ihre Hauswand eine Zeit lang damit dekorieren wollen …

Meine Überlegungen (auch wenn sie ein wenig absurd sind, ich weiß), führen mich zu einer tiefen Wahrheit: Meine Sicht auf Dinge muss nicht immer die richtige sein. Jeden Tag fälle ich andauernd Urteile. Gut. Böse. Richtig. Falsch. Lustig. Langweilig. Lecker. Eklig. Egoistisch. Nett. Hübsch. Hässlich Und so weiter. Ich entscheide stets aus meiner Sicht. Und das ist auch wichtig. Dass wir Menschen und Situationen einschätzen können, ist ein wichtiges Überlebensmuster. Ich muss ja relativ schnell entscheiden können, ob mein Gegenüber mein Freund oder mein Feind ist, ob er mich möglicherweise betrügen will, ob das Essen giftig (Fliegenpilze) oder lecker (Döner) ist. Und schnelle Urteile zu fällen, ist bis zu einem Gewissen Maß auch etwas Gutes. Schwierig wird es, wenn ich meine Wahrnehmung zur Wahrheit für alle mache. Nur weil ich eine Frau nicht attraktiv finde, bedeutet das noch lange nicht, dass das alle so sehen. Wenn ich jemanden nicht lustig finde, dann ist das meine Meinung – und andere lachen sich vielleicht kaputt. Deshalb ist es nicht okay, wenn ich über andere lästere, einfach Urteile von anderen übernehme, ohne sie selbst zu prüfen – und sie weiterverbreite. Jesus hat uns eine klare Warnung mitgegeben: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn so wie ihr über andere urteilt, wird man auch euch beurteilen, und das Maß, mit dem ihr bei anderen messt, wird auch euch zugemessen werden „(Matthäus 7,1-2:LU). Jesus weiß, wie das Herziehen und Richten über andere unsere Beziehung belastet. Wenn du schon mal als Betroffener erlebt hast, wie hartnäckig sich ein Gerücht hält, dann weißt du sicher, wovon ich schreibe.

Nicht vorschnell Urteile über andere zu fällen ist also ein Gebot, das uns Jesus mit auf den Weg gegeben hat. Aber wenn jemand Mist baut, dann muss ich das doch auch sagen dürfen – oder? Natürlich! Und auch hierzu hat uns Jesus ein guten Rat gegeben: „Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und stell ihn unter vier Augen zur Rede. Wenn er mit sich reden lässt, hast du deinen Bruder zurückgewonnen“ (Matthäus 18,15 NGÜ). Jesus fordert uns also ausdrücklich dazu auf, denjenigen, der Mist gebaut hat, darauf anzusprechen – aber bitte schön nicht vor versammelter Mannschaft, sondern allein.
Ich habe gerade, während ich die Andacht hier schriebe, ein gutes Beispiel erlebt: Ein Freund hat gestern spontan ein Treffen abgesagt, das wir mit fünf Leuten schon lange ausgemacht hatten. Sein Argument fand ich absolut nicht überzeugend. Jetzt fragt mich gerade eine Freundin per Mail, ob ich das nicht auch bescheiden fände und dass sie sich ganz schön geärgert hätte. Mein erster Impuls war, ihr zuschreiben: „Genau! Der Sack sagt immer so kurzfristig ab“. Aber zum Glück schreibe ich gerade an dieser Andacht und maile ihr zurück: „Ich rede mal mit ihm und sag ihm das.“ Genau das ist Gottes Idee: miteinander statt übereinander reden.

Also: Wenn du das nächste Mal am Schild „Brennholzverleih“ vorbeikommst, dann behalte deine Gedanken entweder für dich oder geh rein und frag nach, was denn eine Stunde Holz so kostet …

Christoph Pahl, Verena Keil (Hg.) Nutella für die Seele. Andachten für den besten Start in den Tag. Gerth Medien 2017. Abdruck mit freundlicher Genehmigung.